Widerstand gegen Putin?

Russlands Fahnen schwingende Autokorso Brigaden dieser Tage muss ich nicht gut finden, genauso wenig wie ich Diskriminierung gut finde. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schnell Menschen aufgrund von welchem Merkmal auch immer in eine Diskriminierung-Schublade gesteckt werden. Gründe gibt es viele. Das Geschlecht, die Identität, die Sexualität, Nationalität, körperliche Merkmale, Meinungen usw.

Als Corona bei uns in Deutschland 2020 Fahrt aufnahm und ein Lockdown angekündigt wurde, nahm ich an einem Nachmittag bewusst Abschied in einem Bäckerei-Kaffee. Abschied von meiner liebgewonnenen Gewohnheit, Kaffee in einer Bäckerei trinken zu können, wann ich wollte. Abschied auf unbestimmte Zeit.

Ich hörte ungewollt das Gespräch einer älteren Männerrunde, da diese sehr laut sprach. Das war sehr wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass drei der vier Herren ein Hörgerät trugen. Thema war, wie hätte es auch anders sein können: Corona. Die Herrenrunde war sich einig, nicht mehr zum „asiatischen Buffet“ gehen zu wollen, da der „Chinese“ daran Schuld wäre an dieser Seuche.

Nun ist es also der Russe? Diskriminierung endet nie gut. Sich dagegen zu behaupten, ist verständlich. Was ich nicht verstehe, ist das Schwenken der russischen Fahne, die aktuell für einen brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine steht. Ich sehe wenig Distanz zu Putin. Ist es nicht so, dass Putin sein eigenes Volk am meisten diskriminiert? Ein falsches Wort, eine falsche Farbe. Strafe, Gefängnis und manchmal auch Gift. Und trotzdem: Viel „Mimimi „und „ich bin stolz darauf, Russe zu sein!“

Liebe diskriminierte Russinnen und Russen, lasst euch den Stolz auf euer Land nicht nehmen. Stolz ist meiner Meinung nach eine persönliche und bisweilen für andere schwer nachzuvollziehende Angelegenheit. Aber schwenkt ihr beim nächsten Mal die Weiß-blau-weiße Farbe des russischen Widerstands, wenn ihr einen Autokorso veranstaltet und gegen Diskriminierung herumfahrt?

Widerstand in Russland gibt es kaum noch, nachdem in den letzten Wochen fast alle Protestierenden verhaftet und sanktioniert worden sind. Der Protest existiert jedoch immer noch. Hier und da findet man in der Öffentlichkeit grüne Bänder an Geländern und Büschen und Bäumen. Grün entsteht als Farbe, wenn man Blau und Gelb vermischt. Aber auch in der Musikkultur ist Protest vorhanden. Dieser drückt sich über die Bildersprache und über das „zwischen den Zeilen hören“ aus, da alles von den Behörden zensiert wird.

Ic3peak ist eine seit 2013 existierende Elektroband aus Moskau. In dem Lied „Смерти Больше Нет“ (übersetzt: Keine Tode mehr) singt Sängerin Nastya Kreslina aus der Perspektive eines Milizangehörigen der Bereitschaftspolizei vor dem Gefängnishauptquartier des FSB (Föderaler Sicherheitsdienst) in Lubjanka. Der Text des Liedes lautet: „Zusammen mit anderen wirst du auf dem Platz geschlagen werden“ und „Ich gehe nach draußen, um eine Katze zu streicheln, während ein Polizeiauto sie überfährt.“ (Quelle Wikipedia)

Bandpage: https://www.ic3peak.world/tour